Der gestresste Hund

Jeden Morgen, jeden Mittag und jeden Abend das gleiche Bild: Menschen mit ihren Hunden laufen mal eben schnell eine Runde. Meistens, wenn man es genau beobachtet, gehen die Hunde mit ihren Menschen spazieren.

Nein, spazieren ist das nicht, sie hetzen mal eben um die Ecke, um dann wieder ihren Verpflichtungen nach zu kommen.

Es ist Mode, trotz stressigem Alltag noch einen Hund zu haben. Viele  der Hunde entwickeln Verhaltensprobleme, sind nicht mehr zu händeln und dann kommt der Hunde-Trainer. Dieser soll bitte möglichst schnell und ohne viel Aufwand den Hund wieder auf die Spur bringen.

Wer kümmert sich dann um den „Problemhund“?

 

Ein Dackel kann jagen, muss es aber nicht!

Ein Border Collie kann hüten, muss es aber nicht!

Ein Schäferhund kann wachen, muss es aber nicht!

 

Jede Hunderasse wurde gezüchtet, um gewisse Fähigkeiten in den Vordergrund zu stellen und sie uns zum Nutzen zu machen. Sie sollen unseren Zwecken dienen.

Hunde sind aber immer noch Hunde, Raubtiere, die täglich bis zu 20 Stunden Schlaf bzw. Ruhepausen brauchen und für die jede Form von Stress kontraproduktiv ist.

Würden alle oben aufgezählten Hunderassen auf der Straße leben, ohne Beeinflussung des Menschen, würde man kaum einen Unterschied merken.

Alle würden sich so wenig wie möglich bewegen, was typisch für Raubtiere ist und in den paar Stunden des Wachseins würden sie die Straßen durchstreifen auf der Suche nach etwas Essbarem.

Sie würden schnüffeln und markieren, also kommunizieren. Sie würden vielleicht, wenn die Sympathie stimmt,  noch ein wenig miteinander spielen. Sich beschnüffeln, gemeinsam ein Stück des Weges gehen oder sich doch aus dem Weg gehen. Würden sie jedoch rennen entginge ihnen vieles.

Wohl kaum würde der Border Collie, der auf der Straße lebt, krampfhaft etwas zum Hüten suchen oder über Hindernisse springen, die man auch umgehen kann.

Der Schäferhund etwas zum Bewachen suchen und der Dackel ununterbrochen auf der Jagd sein.

 

Hunde sind Energiesparer

Kaum ein Tier rennt länger als ein paar Minuten, außer es ist auf der Flucht.

Wir sind aber nicht auf der Flucht.

Flucht ist Stress.

 

Den Drang der Auslastung haben wir Menschen.

Wir leben in einem System,  in dem Fleiß und Strebsamkeit als Tugend gilt und faul zu sein als etwas Negatives.

Naturvölker leben anders. Ruhen, Zusammensein und auf Nahrungssuche gehen.

Das Problem der meisten Hundehalter ist, dass die Hunde zu hektisch und hibbelig sind, an der Leine ziehen oder sich aus dem Freilauf nicht abrufen lassen bzw. nicht mehr ansprechbar sind.

Und das sind die Hunde, die meistens genau deswegen ausgelastet werden, weil sie ansonsten angeblich noch hibbeliger werden würden. Hundesport, exzessives Ballwerfen, am Fahrrad laufen oder lange ausgedehnte, gehetzte Spaziergänge mit möglichst viel Hundekontakt.

Je mehr der Hund ausgepowert wird, desto mehr Adrenalin produziert sein Körper. Und das macht süchtig. Es wirkt wie eine Droge. Man will mehr, weil man deutlich über seine eigenen körperlichen Grenzen gehen kann, man will high sein und bleiben.

Ebenso Schlaf-bzw. Ruheentzug durch zu viel Auslastung ist nicht selten bei Hunden.

Wie reagiert der Mensch wenn er nicht genug schläft? Er wird gereizt, übersensibel, aggressiv, unkonzentriert und gestresst.

Bis hin zum Burn-out oder Depressionen.

Leistung, Action, Power und in der Freizeit….Wer bremst verliert.

 

Entschleunigen Sie sich und ihren Hund. Fahren Sie das Tempo runter, entspannen, chillen und genießen Sie.

Bummeln Sie mit ihrem Hund, warten Sie auf ihn, lassen Sie ihn wieder schnüffeln, um zu markieren.

Es ist ein Spaziergang. Ihr Hund begleitet Sie, Sie schlagen den Weg vor, aber lassen Sie sich nicht von seiner Hektik anstecken.

Zeigen Sie ihm, wie schön bummeln ist, ein entschleunigter Spaziergang.

Was man alles entdecken kann! Auslastung bedeutet nicht, schneller, weiter, höher, sondern Sinne einzusetzen.

Hunde sind Nasentiere.

Auch dem Menschen tut es gut, seine Sinne einzusetzen und es gibt eine innere Zufriedenheit.

Auf die Umgebung zu achten, auf die Gerüche oder Geräusche,  Vögel zwitschern, rascheln im Laub. Besinnen Sie sich auf die Natur.

Bleiben Sie dabei im Bummeltempo, auch wenn der Hund an der Schleppleine oder im Freilauf ist.

Wenn er nicht mehr zum Hetzen animiert wird, kommt die Ruhe zurück.

Rufen Sie ihn nur wenn unbedingt nötig.

 

Ruhe und entschleunigtes Tempo.

Mit der Zeit wird der Hund seinen Abstand zu Ihnen verringern und aufmerksamer sein, er entspannt sich.

Er achtet auf Sie.

Führen heißt souverän sein.

Ihre Körperhaltung wird sich verändern und Ihr Hund kann sich an ihnen orientieren.

 

 

Christina Fischer- Reiser